Lebenslauf Carl Schuster
Carl Schuster wurde am 2. Oktober 1907 als Sohn des Ehepaars Karl und Barbara Schuster, geborene Farsch, in Kaiserslautern geboren. Er hatte zwei Schwestern, Maria (geb. 1904) und Helene (geb. 1906). Die Vorfahren der Familie Schuster waren sehr bodenständig und seit 15 Generationen ansässig im Hundsrück. Der Vater hatte eine Metzgerei mit Gastwirtschaft. Während der Vater aus dem Hunsrück stammte, kam die Mutter von der Mosel.
Zwei völlig verschiedene Naturen: Menschen in einer Berglandschaft, die andere aus dem nahen Flusstal der Mosel. Hier der grübelnde, in sich gekehrte religiös veranlagte Menschenschlag . Dort der aus dem Fluss mit seinen Weinbergen kommende fröhliche und aufgeschlossene Schlag, in dem sich noch Spuren aus der Römerzeit finden. So haben ihm Vater und Mutter zwei glückliche Mischungen vererbt, die er später zu nutzen verstand.
Die ersten Jahre in Trier waren für die Eltern sehr hart, es galt Schulden abzuzahlen und eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Als eine der ersten Kindheitserinnerungen blieb Carl Schuster im Gedächtnis, dass er die abgetragenen Kleider seiner Schwestern auftragen musste, was den Stolz einen Jungen sehr verletzte. So lernte er das Leben der ärmeren Schicht schon früh aus erster Hand kennen. Seine Kindheit erlebte er im ersten Weltkrieg und war 11 Jahre alt, als der Krieg beendet war. Carl war schon früh politisch interessiert. Die Eltern waren katholisch und wählten somit konservativ. Er dachte mehr links und wählte vom 18. Lebensjahr an „rot“. Dies führte zum Streit in der Familie. Der Vater versuchte schon in der frühesten Jugend, ihm seinen Willen aufzuzwingen; von Anfang an war es sein Ziel, dass Carl Priester werde. Er musste sonntags stundenlang mit dem Vater in die Kirche gehen und das langweilte ihn, auch die viele Stunden seiner Jugend als Messdiener im Dom zu Trier waren für ihn eine Qual.
1922 beendete er die Handelsschule, machte eine Buchhändlerlehre und eine Ausbildung zum Verlagsbuchhändler.. Es war ein ruhiges Leben, der Betrieb florierte durch einen jährlichen Absatz von Schulbüchern. Im Jahr 1925, dem Heiligen Jahr, genehmigte der Vater eine Reise nach Rom. Offenbar war es sein letzter Versuch Carl umzustimmen und für die Kirche zu retten. Für ihn war es ein wichtiger Meilenstein auf seinem Lebensweg und führte ihn zu Erkenntnissen und Einsichten, die sein Leben bestimmten. Er war 19 Jahre, ein Lausbub und hatte wenig Respekt gegenüber jedermann, auch gegenüber dem Papst. So war auch die Privataudienz im Vatikan für Carl kein besonderes Ereignis. Wir wurden Pius XI vorgestellt; er fragte uns, ob wir von Trier nach Rom gepilgert seien. Carl bejahte dies, obgleich wir mit der Bahn die Reise machten. Der Papst lobte uns ob unseres Eifers und gab uns seinen besonderen Segen. So hat er als junger Mensch den Papst belogen und dies nie bereut.
Am 1. Januar 1930, 22 Jahre alt, begann er eine Tätigkeit in einem Berliner Verlag, dessen Inhaber Walter Rothschild war. Alles war neu, die Stadt, die Menschen, der Betrieb. Wie konnte ein unerfahrener junger Mensch auch nur ahnen, was in der Reichshauptstadt Berlin an undurchschaubaren Schrauben gedreht wurde? Carl arbeitete in Grunewald in einer pompösen Villa, in der nichts an gewöhnliche Geschäfte erinnerte. Walter Rothschild war eine große, eindrucksvolle Person und hatte weitreichende Beziehungen zu Regierungskreisen. Carl musste Papiere in die Stadt zum Ministerium bringen. Was dies sollte, war ihm nie begreiflich. Warum stellte Rothschild einen jungen Mann aus dem äußersten Westen ein? Sollte er über Rothschild als „Spion“ für eine französische Besatzungsmacht im Rheinland nach deutschen geheimen Wehrorganisationen ausgefragt werden? Als Rothschild einsehen musste, dass er für eine derartige intelligente Tätigkeit nicht zu gebrauchen war, warf er ihn hinaus. Er beauftragte Carl mit einer Aufgabe, der er nicht gewachsen war, blamierte ihn öffentlich vor der Belegschaft und zeigte so, wie sehr er den „Goi“ (Nichtjude) als Jude verachtete! Carl war mit den politischen Verhältnisse in jener Zeit wenig vertraut und in einen politischen Strudel zwischen den Fronten getrieben. Er war niemals Antisemit. Was Rothschild ihm jedoch angetan hatte, hat ihn tief getroffen. Dass er auf meinem ersten Weg in die Welt diesem Mann begegnet ist, war für ihn Schicksal. Er hat Jahre gebraucht, um diese erste Begegnung mit dem wahren Leben zu verarbeiten.
Nach einem kurzen Intermezzo in einem Stuttgarter Verlag blieb er die nächsten Jahre in Trier bei den Eltern. Die dreißiger Jahre waren in Deutschland Notjahre bei großer Arbeitslosigkeit. In seinem Beruf hatte er keine Aussicht und nahm deshalb als Gastschüler in der Bildhauerklasse der Meisterschule Trier teil. Nach einer Tätigkeit im Heidelberger Kurt Vohwinkel Verlag und der Versetzung im Rahmen der Arisierung nach Neustadt (Pfalz), verlegte er im Herbst 1937 seinen Wohnsitz nach München, wo er als Lektor arbeitete.
Im Dezember 1939 wurde er eingezogen und nach seiner Ausbildung in Landsberg zum Funker kam er mit der Artellerie 2/636, einer 21. Mörsereinheit, erst nach Frankreich an die Maginot-Linie und dann nach Rußland an die Festung Demjansk. Am 4. Januar 1943 wurde er durch eine Panzergranate schwer verwundet. Nach seiner Genesung arbeitete er ab Februar 1944 als Verlagsleiter beim Verlag Junker und Dünnhaupt in Dessau (http://de.wikipedia.org/wiki/Junker_und_D%C3%BCnnhaupt).
Am 5. August 1945 wurde Carl Schuster durch russische Geheimpolizei verhaftet, angeblich wegen Teilnahme am Aufbau einer liberal-demokratischen Partei. Am 28. September 1945 erfolgte die Entlassung aus dem Gefängnis und die Flucht in den Westen. Nach seiner Rückkehr nach München Anfang 1945 war er mit einer der ersten, die von der amerikanischen Besatzungsmacht die Erlaubnis zu journalistischem Arbeiten in München erhielten.
Anfang 1951 heiratete er Hildegard Schuster, geb. Peschke. Die Kinder, Claus Diethelm Schuster und Ingrid Gisela Schuster wurden 1951 und 1954 geboren.
Carl Schuster verstarb am 21. März 2004, seine Urne befand sich bis 2014 im Nordfriedhof in München. Jetzt erinnert eine Gedenktafel im Garten von Claus Schuster an beide Eltern. 12 Jahre nach dem Tode von Carl Schuster hat sein Sohn eine Totenmaske in Bronze gegossen.
Quelle: CS Stand: 09.03.16