Dieter Gewies

(*2.2.46 in Amberg, verheiratet, vier Kinder) ist grüner Aktivist und Nachhaltigkeitsspezialist. Ehrenbürger der Gemeinde Furth und Ehrenbürger der Gemeinde Krupski Mlyn / Polen

Inhaltsverzeichnis

Werdegang
Energieneutralität
Der „Further Weg“
– Nachhaltigkeitsprojekte
Auszeichnungen
Veröffentlichungen und Vorträge
Quellen
Weblinks

Werdegang

Dieter Gewies zog 1953 nach München Schwabing. Nach der Schule und dem Abitur machte er seine Ausbildung zum Volksschullehrer an der Pädagogische Hochschule München Pasing. Während seines Studium war er Mitglied bei den St. Georgs Pfadfindern und leitete den Stamm „Pater Rupert Mayer“.
Nach Beendigung des Studiums wurde er an die Schule nach Niederbayern versetzt. Die Familie Gewies zog 1974 nach Schatzhofen / Furth bei Landshut in ein denkmalgeschütztes Pfarrhaus. 1979 gründete Dieter Gewies die Partei der Grünen mit.

Schon 1982 gründete Dieter Gewies den ersten Solartag in Schatzhofen. Der Solartag wurde fast 20 Jahre lang von ihm jährlich durchgeführt und ist ganz wesentlich ursächlich dafür, dass Niederbayern Solarregion Nr.1 in Deutschland ist. Die Explosion des Atomkraftwerkes in Tschernobyl 1986 begründete ein Umdenken weiter Kreise der Bevölkerung. Das Kernkraftwerk Isar I liegt im Landkreis Landshut, nahe des Ortes Schatzhofen, wo die Familie Gewies wohnte. Viele Familien gerade mit Kleinkindern hatten Angst, dass das tatsächliche Ausmaß der Verstrahlung einschließlich der Nahrungsmittel verharmlost wurde. Es gründeten sich viele Initiativen, so auch in Landshut der Verein „Gesellschaft für aktives Umweltbewusstsein“ (kurz GaU), bei welchem er Gründungsmitglied war. Die Gruppe forderte schon damals eine dezentrale und nachhaltige Stromerzeugung ohne die unkalkulierbaren Risiken der Atomkraft.

Von 1990 bis 2002 war Dieter Gewies Kreisrat des Landkreises Landshut. Hier förderte er den ökologischen Umbau durch die Unterstützung bei Projekten wie z.B. den Radwegeausbau unter Mitwirkung der Gemeinden, den Bau einer Solaranlage auf dem Landratsamt und die Bachrenaturierung. Von 1991 bis 1994 war er Gruppensprecher der Grünen im Kreistag in Landshut.

Energieneutralität

1996 wurde Dieter Gewies zum Bürgermeister der Gemeinde Furth als erster „Grüner“ in einer sonst konservativen Region gewählt. Er stellte sich zweimal zur Wiederwahl und beendete seine Amtszeit 2014.

Ein Bürgerbegehren „Mehr Sonne in Landshut“ führte dazu, dass 1996 drei Solaranlagen mit jeweils 11 kWp als Bürgersolarkraftwerke von der SoLaR GmbH konzipiert und errichtet wurden. Durch die Further Sonnenenergietage schon gut informiert baute Furth seine Führungsrolle bei Photovoltaik in Deutschland noch weiter aus. Mitte Februar 2000 hatten die Einwohner von Furth in nur einer Woche für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen KfW Kredite über 3,5 Mio DM aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) beantragt, welches am 1.4.2000 in Kraft trat. Bis zum Jahresende 2000 waren auf den Dächern von Furth mehr Anlagen in Betrieb als in allen neuen Bundesländern zusammen. Dies führte zu einem großen Medienecho. Er wurde im Oktober 2012 zur Diskussionsrunde in der ARD bei Beckmann gemeinsam mit dem damaligen Bundesumweltminister Peter Altmaier und anderen Energieexperten eingeladen.

Während seiner Zeit als Bürgermeister gelang es Dieter Gewies, dass Furth die erste Gemeinde in Deutschland war, die mit einem GEMEINDERATSBESHLUSS schon 1999 festgeschrieben hat,
dass für Strom und Wärme 100% erneuerbare Energie genutzt werden soll. Trotz eher ungünstiger Bedingungen (kein Windstandort, keine Wasserkraft, kein Solarfeld) werden im Jahr 2022 zu 7o% Solarstrom, 35% Biomassestrom (Biogasanlage, Holzvergaser) und etwa 70% erneuerbare Wärme erzeugt, mit stark ansteigender Tendenz. So wurde der Energiesektor einer der größten Wirtschaftsfaktoren in der Gemeinde (Wert inzwischen jährlich über 4 Millionen €). Es sind über 550 PV-Anlagen bei 1200 Gebäuden, die den den Bürgerinnen und Bürgern gehören.

Der „Further Weg“Nachhaltigkeitsprojekte

Dieses Energiekonzept wurde von Dieter Gewies weiter entwickelt zu einem „Leitbild der Gemeinde“, welches die NACHHALTIGKEIT als gleichwertige Verbindung von Ökonomie, Ökologie und Sozialem definiert. . Auf einem Seminar mit der Schule für Dorf-und Landentwicklung wurden 2008 diese Inhalte von den Teilnehmern des Gemeinderates zusammengefasst, inhaltlich bestätigt und kontinuierlich im Folgenden umgesetzt.
Diese sind:
Bildung und Erziehung
(Krippe, Kindergarten, Waldkindergarten, Hort- alle integrativ, Grundschule-inklusiv, Mittelschule, Gymnasium, Institut der Ludwigs-Maximilians-Universität, Ausbildungsstätte der Technischen Universität München, umfassende Jugendarbeit als Teil von Bildung und Erziehung, Ferienprogramme, intensiver Jugendaustausch mit der polnischen Gemeinde Krupski Mlyn, Errichtung einer Bücherei)
Leben im Alter (Wohnmöglichkeiten im Dorfzentrum, Betreutes Wohnen, Altersheim, sehr gute ärztliche Versorgung, kurze Wege)
Energie (Solardächer, Hackschnitzelkraftwerk, Holzvergaser, Biogasanlage)
Pflanzen und Tiere (Biotopverbund, Renaturierung)
Wasser (Wasserverbund)
Innenentwicklung statt Außenentwicklung (Neugestaltung der ökologischen Dorfmitte von Furth)
Verkehrsentwicklung
(Vorrang für Fußgänger und Radfahrer, Verkehrsberuhigung, flächendeckend 30 km/h, wo rechtlich möglich, Geschwindigkeitsüberwachung, Lotsendienst sichert Schulwege, Bürgerbus)
nachhaltige Finanzierung („soviel Geld ausgeben, wie vorhanden ist“)

Während der Amtszeit von Dieter Gewies als Bürgermeister besuchten über 40 000 Besucher aus ca. 50 Ländern der Erde die Gemeinde Furth, um sich über nachhaltige Entwicklung zu informieren. Die mit Abstand meisten Besucher waren aus Bayern (Gemeinderäte, Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete, Umweltgruppen, Grünen-SPD-CSU-Junge Union-Gliederungen-Bürger/Innen). Die bayrische Staatsregierung hat einige Jahre für einen ganzen Tag jeweils eine multinationale Gruppe aus dem wissenschaftlichen/ verwaltungstechnischen Mittelbau geschickt, die jeweils aus 15-20 verschiedenen Ländern gekommen sind. Die meisten ausländischen rein nationalen Gruppen waren aus Japan und China. Diese waren immer hoch- bis höchstrangige Führungspersonen, immer mit Dolmetscher und Begleitpersonal. Einlader war bei denen eher die Bundesregierung. Es kamen aber auch kirchliche Gruppen und interessierte Einzelpersonen. Diese Aktivitäten führten dazu, dass der Gemeinde Furth 2014 der Deutsche Nachhaltigkeitspreises verliehen wurde. 2015 verlieh die Gemeinde Herrn Gewies die Ehrenbürgerschaft. Die Gemeinde Furth unterhielt einen engen Austausch mit ihrer Partnergemeinde Krupski Mlyn in Polen. Auch diese Gemeinde ehrte Dieter Gewies, in dem sie ihm 2014 die Ehrenbürgerschaft verlieh.

Partnergemeinde Krupski Mlyn
Wie oben bereits erwähnt, war der Bereich „Bildung und Erziehung“ ein elementares Element zur Entwicklung eines nachhaltigen Netzwerkes. Im Jahr 1999 beschloss der Gemeinderat sich um eine ausländische Partnergemeinde zu bemühen. Zufällig fand sich in der Bayerischen Gemeindezeitung eine Anzeige „Erste grüne Gemeinde in Polen sucht eine Partnergemeinde“. Die ersten Annäherungen waren vorsichtig zögerlich, bis ab 2000 die ersten gegenseitigen Gruppenbesuche folgten. Bei den Polen waren es anfangs nur Gemeinderäte, von der Further Seite jedoch alle Personengruppen.

Sehr schnell ging es mit dem Jugendaustausch los. Viele polnische Jugendliche hätten sich das finanziell nicht leisten können und so wurde von den Further-Jugendlichen durch Aktionen und Arbeitseinsätze Geld gesammelt, sodass auch die nicht vermögenden polnischen Jugendlichen kommen konnten. Auf der Warteliste dort standen immer um die 100 Jugendliche. 18 passten in den Bus. Unterkommen in Furth mussten sie ja auch bei Gastfamilien. Über unserer Gymnasium gab es sechs Partnerschaftsprogramme, was die Suche nach Gastfamilien nicht einfacher machte. So war anfangs die Nachfrage an die Fahrten nach Polen nicht so hoch.

Von Jahr zu Jahr – es gab stets zwei Jugendbegegnungen – wuchs die Begeisterung. Finanziell unterstützt wurden wir vom Deutsch-polnischen Jugendwerk, dessen damaliger Leiter sehr von unserem Projekt begeistert war. So waren auch andere Fahrten (z.B. zum polnischen Papst nach Rom oder nach Danzig) möglich. Jedenfalls haben wir 2008 eine Einladung des polnischen Botschafters nach Berlin erhalten. Etwa 15 Deutsche und 15 Polen wurden in der Botschaft empfangen. Wir wurden als bestes deutsch-polnisches Projekt geehrt. Etliche Monate später kam ein Schreiben der Botschaft, der Botschafter würde seinen Dienst beenden, und ich als Bürgermeister, wäre zur Verabschiedung eingeladen. Das war wiederum in Berlin, aber wegen der ca. 150 Gäste in einem entsprechenden Saal. Protokollarisch ist der Botschafter in dem jeweiligen Land der Stellvertreter des Staatsoberhauptes. Entsprechend dem waren Wolfgang Thierse (Bundestagspräsident) und Egon Bahr da. Kurz darauf kam eine Einladung nach Warschau zum großen Empfang des deutschen Botschafters zum Tag der Deutschen Einheit.

Zudem wurde Dieter Gewies eingeladen zum 200-jährigen Jubiläum der Schulpflicht in Schlesien die Festansprache (mit Simultanübersetzung) zu halten. Die Veranstaltung mit der schlesischen Regionalprominenz und etwa 15o Gästen fand im Schloss er Grafen von Donnersmarck statt. Ich hatte einen Ehrenplatz beim Essen – der ist in Polen immer neben dem (Erz)bischof.

2013 bekam Dieter Gewies noch eine Einladung zur Amtseinführung des neuen polnischen Botschafters in Berlin. Die war sehr förmlich. Inzwischen wehte auch ein anderer Wind: Die Nationalisten waren jetzt im Kommen. Es war die letzte Einladung. Während der Jahre 2000 bis 2014 haben etwa 1100 Jugendliche den Austausch gelebt und in dieser Zeit sind einige bleibende Bindungen entstanden.

Der „Further Weg“ beschreibt somit die Geschichte einer Gemeinde, die begonnen mit Energie ein gesamtes Nachhaltigkeitskonzept umsetzt hat. „Ökologie und Ökonomie stets gleichberechtigt zu betrachten, wurde ohne Ausnahme eingehalten. Die Akteure des Further Energieprogramms sind die Bürgerinnen und Bürger, die sozialen- und Bildungseinrichtungen, die Gewerbetreibenden und Landwirte, die Banken und die Gemeinde. Als eher steuerschwache Gemeinde ist Furth dabei weitgehend auf die Finanzierung der Energieanlagen durch die Privaten angewiesen. Diese spielen auch im Further Energiekonzept eine überragende Rolle. Die Aufgabe der Gemeinde ist dabei hauptsächlich eine umfassende Information, Koordination, Werbung, Leitbildentwicklung und Vorbildfunktion. Eine Mitmach- und Anerkennungskultur wurde in der Amtszeit von Dieter Gewies entwickelt und neben ökologischen und ökonomischen Aspekten die stärkste Motivation zum Dabeisein im Sinne der Bürgergesellschaft, die ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt.“ wird auf der [https://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda%2021.pdf Webseite der Gemeinde] erläutert.

Das Prinzip von Dieter Gewies war es als Vorbild seine Ideen privat umzusetzen und dadurch zu überzeugen. Auf seinem Haus, einem ehemaligen Pfarrhof, installierte er als einer der ersten im Umkreis eine thermische und photovoltaische Solaranlage. Durch diese Vorbildfunktion gelang es ihm seine Mitbürger zu überzeugen, er konnte ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen.

Auszeichnungen

persönliche Auszeichnungen

  • 1994 Umweltpreis des Bayrischen Fernsehens
  • 1995 Heimatpreis der Bayrischen Raiffeisenkassen „Ökologie“
  • 1999 Urkunde für Verdienste um den Umweltschutz durch die Bayrische Staatsregierung
  • 2004 Auszeichnung durch die Bundesregierung für herausragende Leistungen im Bereich erneuerbare Energien und Umweltschutz
  • 2008 Berufung in die Bayrische Akademie Ländlicher Raum
  • 2014 Verdienstmedaille des Bayrischen Landessportverbandes in Silber für besondere Verdienste
  • 2014 April     Ehrenbürger der Gemeinde Krupski Mlyn / Polen
  • 12.5.2015      Ehrenbürger der Gemeinde Furth
  • 2015 Sepp-Daxenberger-Ehrenpreis

Auszeichnungen in Verbindung mit dem Bürgermeisteramt

  • 1999 Messepreis Solar 99 für innovatives Gesamtkonzept Biomasseheizwerk
  • 1999 Umweltbewusste Gemeinde, Auszeichnung in Gold durch die Bay. Staatsregierung
  • 20000 Anerkennung als 1.deutsche Gemeinde im Programm „100 Gemeinden in Europa mit 100% erneuerbarer Energie“
  • 2001 Modellgemeinde der Bay. Staatsregierung „Nahversorgung ist Lebensqualität“
  • 2001 1 Platz Solarbundesliga
  • 2001 Deutscher Solarpreis
  • 2003 Anerkennung durch die Europäische Kommission für Bemühungen um Erneuerbare Energien
  • 2003 1.Preis im eon-Wettbewerb, dotiert mit 100 000€ für das Gesamtkonzept „Ökologisches Dorfzentrum Furth“
  • 2005 Modellgemeinde des Bay. Umweltministeriums zur Agenda 21, Bereich Energieversorgung
  • 2008 Empfang beim polnischen Botschafter in Berlin
  • 2010 Auszeichnung für das beste deutsch-polnische Austauschprojekt durch den polnischen Botschafter
  • 2011 Empfang beim deutschen Botschafter in Warschau zum „Tag der deutschen Einheit“
  • 2011 Verleihung des Gütesiegels „Nachhaltige Bürgerkommune Bayern“
  • 2012 Anerkennung der Stiftung „Lebendige Stadt“ für die Bemühungen um Barrierefreiheit und Integration
  • 2012 Einladung zur Verabschiedung des polnischen Botschafters Marek Prawda in Berlin
  • 2013 Empfang des neuen polnischen Botschafters zur Amtseinführung in Berlin

Veröffentlichungen und Vorträge              

Quellen

Weblinks

Stand: 01.11.22